Agile Lernräume und Lernability im Gesundheitswesen öffnen - Mit Journal Clubs in der klinischen Pflege punkten
Andrea Roth – Krankenschwester, Pflegeexpertin und Praxisanleiterin seit 28 Jahren im Gesundheitswesen tätig. Pflegepädagogin und Pflegewissenschaftlerin (Bachelor-und Master) in der Aus-, Fort-und Weiterbildung am Städtischen Klinikum Karlsruhe im Bildungscampus.
Wir freuen uns sehr, einen Beitrag von Frau Andrea Roth, Leitung Weiterbildung Praxisanleitung am Städtisches Klinikum Karlsruhe gGmbH veröffentlichen zu dürfen. Frau Roth haben wir als jemanden erlebt, der agile Werte wirklich lebt und am Bildungscampus Karlsruhe innovative Formate entwickelt.
Im folgenden Bericht geht es darum, wie agile Lernräume und die Lernability im Gesundheitswesen für die Berufsgruppe Pflegepersonal geschaffen werden können und welche Möglichkeiten der Öffnung es geben kann:
Expertentipp: Journal Club Klinische Pflege implementieren
Eine zunehmend älter werdende Gesellschaft, ein steigender komplexerer Versorgungsbedarf, das neue Pflegeberufereformgesetz und Fachkräftemangel prägen die aktuellen Nachrichten im Bereich Gesundheitsversorgung. Denn moderne Gesundheitssysteme stehen vor vielfältigen Herausforderungen, die Lösungen und neue agile Innovationen brauchen.
- Wie kann es unter diesen Umständen gelingen faire und angemessene Bildungsangebote für Gesundheitspersonal anzubieten, die auf die individuellen Bedürfnisse von Pflegepersonal zugeschnitten sind?
Dazu muss ein Umdenken in der Entwicklung von Personal und vorhalten von Bildungsangeboten stattfinden, um die erforderlichen Änderungsprozesse für ein zukunftsfähiges Gesundheitssystem zu erlangen.
- Wie können neue Lernformate, agile Lernräume und eine fördernde Lernumgebung sowie die Lernability für Pflegefachpersonen und das Bildungspersonal gestaltet werden?
Um den wachsenden Herausforderungen gerecht zu werden und in Zukunft neue Format mit Selbstlernkompetenzen anzubieten braucht es eine Kultur des agilen Mindset. Gerade weil die Berufe in der direkten Gesundheitsversorgung eine hohe Dynamik, Flexibilität und „fast learning“ vorrausetzt, ergeben sich spezifische Möglichkeiten agile Lernräume zu kreieren, um den hohen Qualifizierungsbedarf zu unterstützen.
Eine Möglichkeit sind agile Lernsituationen für Pflegefachkräfte, das Bildungspersonal und auch Auszubildenden in Gesundheitsfachberufen zu einzuwickeln:
Tipp: Mit Journal Clubs in der klinischen Pflege punkten
Das Format des Journal Clubs ist knapp 150 Jahre alt und ein bewährtes Mittel, sich über aktuelle Entwicklungen zu informieren und diese mit Kolleg*innen zu besprechen und zu diskutieren.
Dabei setzt der Journalclub auf Selbstlernkompetenzen, intrinsische Motivation und den Lernwillen neues zu entdecken und sich persönlich weiterzuentwickeln. Bei einem Journal Club kommen junge und erfahrene „Forscher*innen“ (Pflegepersonal aller Fachrichtungen, Pflegedirektor*innen, Pflegemanager*innen, Pflegewissenschaftler*innen, Bildungspersonal und Auszubildende) regelmäßig in kleinen Gruppen (bis 20 Personen) zusammen, um einen aktuellen wissenschaftlichen Artikel zu diskutieren. Vorab erhalten alle Teilnehmende den Artikel ca. 1 Woche zuvor und sind eingeladen den Artikel kritisch zu lesen. Dabei fördert der Journal Club bestimmt Kompetenzen beispielsweise wir die Lesegewohnheiten und Fähigkeiten umsetzen, Artikel kritisch zu bewerten.
Tipps für Journalclub-Vorträge
Ein Vortrag im Journalclub ist eine fantastische Möglichkeit, agile Kompetenzen und Lernräume zu nutzen
Die Diskussion wird von Moderator*innen vorbereitet und werden mit direkten Fragen vorbereitet, dabei ist der Outcome und das Fazit nicht immer klar oder vorgegeben. Da viele Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen mit verschiedenen Qualifikationen sich im Dialog über ein bestimmtes Thema beraten, wird oft aus bestimmten Studien oder Reviews „das Beste“ herausgeholt. Der Journal Club wird zeitlich begrenzt auf 1,5 Stunden und im Angebot werden Snacks und Getränke bereitgestellt.
Hier sind fünf Tipps, die ich aus meiner Erfahrung als Moderatorin eines Journal Clubs gelernt habe und die Ihnen dabei helfen können, sich darauf vorzubereiten, das Beste aus Ihren Diskussionen herauszuholen:
Tipp 1. Implementierung eines Journal Clubs im Gesundheitswesen
Sprechen Sie ihre Idee gut mit Ihren Vorgesetz*innen ab. Dabei spielt die Zielgruppe, die Themen und die Raumressourcen etc. eine große Rolle, außerdem ist eine sehr gute Werbung essentiell, um den Journal Club fest zu etablieren. Am Angang können Sie gerne auf „alte“ Weggefährt*innen zugreifen, damit Sie eine gute Unterstützung erfahren. Es ist sehr hilfreich, Ihrem Publikum den allgemeinen Ablauf des Journal Club vorzustellen und am Anfang erstmal ein kleines Thema herauszusuchen.
Ein Thema sollte mich selbst interessieren, Spaß machen und immer einen Bezug zu aktuellen Forschungsfragen oder Trends im Gesundheitswesen haben.
Tipp 2. Machen Sie sich mit dem Hintergrundmaterial vertraut
Bereiten Sie sich im Voraus auf Ihre Präsentation im Journal Club vor, indem Sie die vorangegangene Forschungsarbeiten kennen, legen Sie einen Fokus fest (Studienformat, Outcome, Umsetzbarkeit etc.) auf den Sie gerne aufmerksam machen wollen. Dadurch wird Ihre Diskussion fundierter und effektiver.
Tipp 3. Vereinfachen Sie unbekannte Konzepte
Journal Clubs haben oft Mitglieder mit unterschiedlichem fachlichem Hintergrund. Daher werden nicht alle Konzepte jedem in der Gruppe bekannt sein. Es kann hilfreich sein, eine kurze Zusammenfassung der Techniken und Ergebnisse zu geben. Ausführliche Erläuterungen können später gegeben werden, da der Schwerpunkt der Präsentation der Arbeit darauf liegen sollte, einen Überblick über die Forschung zu geben.
Tipp 4. Stellen Sie sich vor der Präsentation Fragen zum Vortrag
Als Moderator*in sind Sie möglicherweise der Halb-„Experte“ des Vortrags, aber wenn Sie sich mit der Forschungsarbeit vertraut machen, entdecken Sie vielleicht einige Fragen, die Sie zu den Methoden haben. Teilen Sie der Gruppe die Fragen mit, auf die Sie selbst gestoßen sind, und alle Antworten, die Sie möglicherweise auf diese Fragen gefunden haben.
Sollte ein Thema nicht auf die Teilnehmenden wirken oder es ist gar zu still im Raum, haben Sie doch den Mut und lenken Sie direkte Fragen auf die Zuhörer.
Tipp 5. Stellen Sie den Mitgliedern des Journal Clubs konkrete Fragen.
Bitten Sie die Gruppe zu Beginn der Diskussionszeit um ihre Gedanken zu bestimmten Themen im Papier, um einen Ausgangspunkt für Gespräche über das Papier zu schaffen. Fragen können sich auf Methoden, Ergebnisse, allgemeine Ideen und vieles mehr beziehen!
Moderieren Sie die Ergebnisse und leiten Sie möglicherweisen die Ergebnisse weiter.
Outcome
Journal Clubs sind großartige Foren für den Gedanken- und Ideenaustausch, die eine agile Lernumgebung und Lernability fördern. Solche Lernräume für Pflegepersonal zu öffnen und zu nutzen ist nur eine Möglichkeit, die notwendige wissenschaftliche Diskussion und Zusammenarbeit zu ermöglichen.
Die im Journal Club gefundenen und diskutierten Ideen können dazu beitragen,den Klienten*innen Outcome zum Beispiel in einer Klinik positiv zu beeinflussen, sowie gleichzeitig die Auszubildenden in eigenem Betrieb zu unterstützen und flexible Lernmethoden anzubieten.
Das Journal-Club-Format eignet sich, um das Verständnis über die Prozesshaftigkeit von Wissenschaft zu stärken und Gütekriterien aus der Forschung zu vermitteln. Im besten Fall wird das (meta)wissenschaftliche Verständnis der Teilnehmenden gestärkt, Mythen und Missverständnisse über Wissenschaft abgebaut und gleichzeitig über aktuelle Forschungsergebnisse informiert.
Für weitere Fragen wenden Sie sich an:
Andrea Roth
Leitung Weiterbildung Praxisanleitung
Städt. Klinikum Karlsruhe gGmbH
Tel 0721 974-7547
andrea.roth@klinikum-karlsruhe.de